Dr. Peter Stöger - ein Nachruf

Am 22. Mai ist ao.Univ.Prof. DDr.H.C. Peter Stöger im Alter von 78 Jahren verstorben. Er hat die Lehrer:innenbildung in Tirol und auch unsere Hochschule intensiv mitgestaltet und geprägt. 

Foto: Zangerl
Quelle: Kontakte 2000/1: (Peter Stöger) Was heißt das: „Sich mit Pädagogik beschäftigen?“ Versuch einer Annäherung

Peter Stöger - Ein Nachruf

Am 22. Mai ist ao.Univ.Prof. DDr.H.C. Peter Stöger im Alter von 78 Jahren verstorben. Er hat die Lehrer:innenbildung in Tirol und auch unsere Hochschule mitgestaltet und geprägt. Peter Stöger war von 1981 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2007 Professor für Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Akademie der Diözese Innsbruck in Zams und Stams, er hat zahlreiche Mitarbeiter:innen und unzählige Studierende unseres Hauses begleitet und geprägt. 

In einem Nachruf würdigt Dr. Klaudia Zangerl das Leben und das Werk von Peter Stöger. 

„Eine liebevolle Sicht auf sich und (s)ein pädagogisches Tun zu werfen, berührt die Identität im Kern, das heißt bei sich zu sein und dem eigenen Ich ein Leben lang entgegenzuwachsen.“ (Stöger, 2018, S. 36)

Wer Peter Stöger kannte und ihn als Pädagoge, Wissenschaftler, Welterkunder, Forschenden, Dialog Suchenden, am Weltgeschehen Interessierten, aber auch ganz einfach als Mensch erleben durfte, war immer eingeladen, sich mit ihm auf eine Reise zu begeben. Letztlich führte diese zu sich selbst, jegliche Art von Ver- und Ausblendung oder Ausgrenzung vor Augen führend. Vergleichbar mit einer Schifffahrt auf hoher See, sollte sich der Mensch als aktiv erleben und nicht nur als treibend. Diese Reise zur Annäherung an das Eigene bedeutete für Peter Stöger eine Annäherung an das Fremde, das auf der individuellen Ebene genauso wie in der Geschichte unseres Landes nur zu gerne ausgeblendet wurde bzw. wird.

Nur über das Fremde können wir, so Peter Stöger, zum Ich und zur Heimat ohne jegliche Ausgrenzungen gelangen. Wahres Erinnern umfasst also beides, das Lichtvolle wie auch das Schattenhafte, und ist Kompass und Richtschnur bei der Heimatfindung. Im englischen Wort „remember“ ist das Wort „member“ (Mitglied) enthalten. Ein Mitglied, damit könnte auch ich selbst gemeint sein, soll zurückkommen (Stöger, 1999, S. 71). Daraus wird ersichtlich, dass diese Form von Erinnern nicht ausschließt. Erinnern ist ein Wort, welches hilft, zu sich selbst zu finden, ein Wort, das Identität schafft.

Weiterer wichtiger Reiseproviant bei solchen Erinnerungsreisen war für Peter Stöger die Treue zu sich selbst, für das Ausmaß des Erinnerungsvermögens von entscheidender Bedeutung. Die Werte des Wahren, Guten und Schönen umzusetzen (vgl. § 2 des Schulorganisationsgesetzes: Aufgabe der Schule), bedeutete für Peter Stöger Öffnung und Verflechtung des schulischen Lebens zum und mit dem Leben.

Wer sich auf eine Reise einlässt, wird eingeladen, den Horizont, die eigene Perspektive zu erweitern. Peter Stöger war es ein Anliegen, den Blick für Andere und Anderes zu öffnen und sich auf unbekanntes Terrain einzulassen. In dem teils noch sehr konservativen Zeitgeist der 1980er- und 1990er-Jahre griff er bereits Themenfelder auf, die gegenwärtig als hochaktuell gelten. Er richtete den Fokus auf andere Länder, Kontinente, Völker, Kulturen, Glaubensrichtungen, um Verständnis aufzubauen, zu sensibilisieren, Sichtweisen zu erweitern.

Peter Stöger war von 1981 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2007 Professor für Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Akademie der Diözese Innsbruck in Zams und später in Stams. Viele Jahre hatte er die Funktion des Vorsitzenden der Studienkommission inne. Als Pädagoge wirkte er besonnen sowie inspirierend und bereicherte mit seinem profunden Wissen in vielfältigen Themengebieten der Interkulturellen Pädagogik, des Interkulturellen Lernens und des Interreligiösen Dialogs und hinterließ tiefe Spuren in den Herzen vieler, die ihm mit seiner wohlwollenden und freundlichen Art begegnen durften. Peter Stöger baute auf den Potentialen seines Gegenübers auf und schuf dabei Resonanzräume, die von Respekt und Achtung getragen wurden, und zu kritischem Denken und zum Aufbruch zu neuen Ufern einluden. Er zeigte immer wieder auf, dass Heimat eine Ortsuche bedeuten kann, dass der Mensch nur Gast auf Erden ist:

„Wenn dann Heimat und Religion endgültig zusammenfließen werden, haben wir die größte Reise unseres Lebens schon angetreten. In der Zwischenzeit gibt es aber einen Abglanz davon, wenn wir Kindern zuschauen, wenn Schneeflocken auf- und abtanzen und ein kleiner Sternenengel in der St. Nikolausgasse ein Lichtlein schenkt.“ (Stöger, 2009, S. 13)

Wir wünschen Peter Stöger für diese letzte Reise ein gutes Ankommen in der ewigen Heimat. Die Erinnerung an ihn lebt in den Herzen vieler Menschen, die ihm begegneten, weiter.

Literatur:

Stöger, P. (1999). Gedanken über das Erinnern: Ansprache im Gedenken an die Reichskristallnacht. Kontakte. Zeitschrift des Vereins zur Förderung von Fortbildung und kulturellen Veranstaltungen, 17 (4), 69-72.

Stöger, P. (2009). Heimat und Glaube. Tiroler Schule. Fachzeitschrift des Katholischen Tiroler Lehrervereins, 119 (3), 10-13.

Stöger, P. (2018). Die Liebe und die liebe Bildung. In N. M. Köffler, P. Steinmair-Pösel, T. Sojer & P. Stöger (Hrsg.), Bildung & Liebe. Interdisziplinäre Perspektiven (S. 23-42). Bielefeld: transcript.

 

Die Arbeit von Peter Stöger würdigend, schrieb Prof. Wolsegger anlässlich der Pensionierung an der Pädagogischen Akademie im Jahr 2007:

Seinem schlichten Anspruch: „Da und dort vielleicht auf etwas Richtiges zu weisen, das von der Schönheit der Menschwerdung Gottes kündet“ (aus der Dankesrede anlässlich der Ehrendoktorverleihung der Pädagogischen Universität im ukrainischen Drohobytch), ist er bei uns ganz gerecht geworden. […]. In der Differenz von Heimat und Exil liegt die „Sehnsuchtsspanne“. Er liebt nicht die zur Schau gestellte Szene, sondern das schlichte Wahrnehmen von Entrechteten (Anne Frank, Schwabenkinder, Juden, Befreiungstheologen, Armut in Südamerika, der Heimat seiner verstorbenen Frau Teresa etc.). Zur „Archäologie der Seele“ gehören die Erinnerung.“ Ohne Erinnerung gibt es kein Bereuen, wer ohne Reue ist, der wiederholt leicht die alten Fehler. So ist Prof. Stöger überzeugt, dass die Kommunikationsfähigkeit der Erinnerung, die Beziehungsfähigkeit von mir zu mir, und von mir zum Mitmenschen ist. Oft hat er wichtige Vokabeln tiefsinnig etymologisch entschlüsselt. In allem aber ist er überzeugt, dass der Respekt der Kern von Frieden ist. Ohne ihn wird der Dialog zwischen Völkern, Religionen und Kulturen nicht klappen. Es braucht ein Daheimsein in der Begegnung (er ist ein bedeutender Biograf Martin Bubers), in dem was uns lieb ist.

In: Kontakte 2007/3: (Josef Wolsegger) Herzliche Verabschiedung von Lehrerpersönlichkeiten der Pädagogischen Akademie

 

Im Jahr 2001 veröffentlichte Stöger einen Text in der damaligen Zeitschrift der Pädagogischen Akademie, mit dem Titel Was heißt das: "Sich mit Pädagogik beschäftigen"? 

Er enthält unglaublich viel von dem, was Peter Stöger ausgemacht hat - nicht nur inhaltlich, sondern auch atmosphärisch - bis hin zu der Vorstellung, dass seine "Lebensreise" während der er so tiefsinnig über viele Dinge nachgedacht hat, nun zu Ende gegangen und er heimgekommen ist.  [...] Der Kern der Pädagogik ist demnach - wie unser Flug - Heimkehr. Eine besonders schwierige, die zu sich selber. Der volle Text steht hier zur Nachlese.

In: Kontakte 2000/1: (Peter Stöger) Was heißt das: „Sich mit Pädagogik beschäftigen?“ Versuch einer Annäherung

Die KPH Edith Stein erinnert sich dankbar an das Werk und Wirken von Peter Stöger. Möge er ruhen in Frieden! 

Herzlichen Dank an Dr. Klaudia Zangerl und Dr. Peter Trojer für die Gestaltung des Nachrufs und für die Bereitstellung und Lektüre der Texte.